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YCA Sailing Master: Medizin an Bord

Törnvorbereitung mit Hühnerflügel oder: Medizin an Bord

 

Langsam wurde mir ein wenig schwummrig. Ich saß mit hochgezogenem T-Shirt und vorgebeugten Oberkörper im Schulungsraum und versuchte schon seit ein paar Minuten möglichst geräuschvoll durch offenen Mund zu atmen. „Jetzt bitte mit offenem Mund fest atmen!“, kam trotzdem das Kommando und drei Stethoskope pressten sich gegen meinen Rücken. „Ich hör nix.“ sagte einer. „Ist das Stethoskop eh aufgedreht?“ „Achso.“ Ein Stethoskop verlässt meinen Rücken und wird kurze Zeit später wieder daran gedrückt: „Jetzt geht´s!“.

Nach einem spannenden Theorie-Vortrag von Jakob Sobczak und ein paar notwendigen Vorbereitungen waren wir mit Beate Sobczaks Hilfe schnell in die Praxis gesprungen. Jakob und Beate sind ein Seglerpaar, die sich im sonstigen Leben als Haus- bzw. Notarzt und Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin betätigen. Heute sei sie „Hausarztmanagerin“, sagt Beate und tatsächlich, sie managt Jakob hervorragend.

Mittlerweile hatten wir uns in den Finger gestochen, um Blut für eine Blutzuckermessung zu gewinnen. Schön! Der Wert passte auch nach Apfelsaft und Schokolade. Dann bekommen wir Stethoskop und Blutdruckmanschetten in die Hand gedrückt und nach kurzer Erklärung pumpen wir auch schon wild drauf los. Auch dieser Wert ist OK, aber man merkt, dass die Medizin-an-Bord-Ausbildung anregend ist. Jakob und Beate sind wunderbar engagiert und erklären und zeigen uns unermüdlich was nur geht.

Die Themen liegen auf der Hand: von lebensbedrohlichen Akutsituationen, Dehydrierung und Sonnenstich über „Umböckeln“, Riss-, Quetsch- und sonstigen Wunden zu Quallenkontakt, übermütigen Seeigelstacheln und unliebsamen Rendezvous mit Petermännchen. Letztere sehen zwar recht hübsch aus, ihr Gift allerdings ist schmerzhaft und gefährlich.

Irgendwann während des Kurses leiht uns Beate ihr Ohr. Das heißt: jeder, jede von uns leuchtet mit dem Otoskop – wieder ein neues Fremdwort gelernt – in ihren Gehörgang und kann ein gesundes Trommelfell bewundern. Im Laufe des Tags geht’s dann zum Soundtrack von „Staying Alive“ um Reanimation. Dann legen wir Verbände und Schienen an und schließlich legt Beate Hühnerflügel auf den Tisch. Jakob erzeugt mit dem Skalpell ein paar klaffende Wunden, die wir so kunstvoll es halt geht zusammennähen, verknoten und klammern. Das ist nicht so leicht wie es aussieht, wenn´s ein Profi macht, aber auch nicht so schwer, wie zu befürchten wäre.

Dazwischen hängt mich meine Frau an den Tropf, also eine subkutane Infusion mit Kochsalzlösung: zunächst „spiegelt“ sie (so der korrekte Terminus) die Infusion, um mir dann eine Nadel mit zwei Flügeln – genannt Butterfly – in den Bauch zu stechen: auch eine Methode, um Schmetterlinge im Bauch zu erzeugen.

Viel Praxis und Wissen haben uns Jakob und Beate vermittelt. Es waren eineinhalb sehr intensive und sehr wertvolle Tage, die uns eines klar gezeigt haben: Not- und Unfälle vermeidet man besser, wo es geht. Aber für die Fälle, bei denen das nicht gelingt, sollte man sich bestmöglich vorbereiten! Denn, so sagt uns Jakob ganz zum Schluss: Notfälle, auf die man sich vorbereitet, treten in der Regel nicht ein. Möge es tatsächlich so sein.

Markus Reiterer

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